Ein Besuch bei Reinhard Fißler
Nun da waren wir also wieder einmal im Neu Helgoland. Die
"Geschichten vom Sachsendreier" am Freitag und "Haase spielt Gundermann" am
Samstag stand auf dem Programm. Da war ja dann der ganze Samstag "frei" und ich
hatte mir fest vorgenommen, Du fährst zu Fißler.
Aber wie das Leben spielt, mir ging es nicht so besonders gut, Silvia hatte
starke Kopfschmerzen, es wurde also nichts. (Auch dachte ich an die Kosten für
das Taxi .....)
Am Sonntag stand dann die Heimfahrt auf dem Programm. Nach einem ausgiebigen
Frühstück und noch einigen mit Haase gewechselten Worten kam dann das Taxi. Aber
wir fuhren nicht zum Bahnhof, nein der Weg führte nach Bohnsdorf.
Da hielten wir nun vor einem Haus, luden das Gepäck aus, löhnten und das Taxi
fuhr davon.
Hier wohnt Reinhard Fißler |
Auf dem Türschild unten stand R. Fißler, also klingeln, die
Tür ging auf und Reinhards Pfleger ließ uns ein. Ein längerer Flur, wir stellten
das Gepäck ab, dann eine offene Tür, der Blick streifte links über technische
Gerätschaften, deutlich zu erkennen, damit spielt man Musik, fiel links hinten
auf den Fernseher, es lief N24, Nachrichten, rechts hinten eine Sitzgruppe ...
Und als wir durch die Tür gingen stand gleich rechts das Bett mit verschiedenen
medizinischen Apparaturen, Reinhard.
Ich habe sicher ein wenig gestottert als ich Reini die liebsten Grüße bestellte
von Trepte, Lohse, Leuschner, von Tamara, Micha aus München, vom Haasen von
...., als ich ihm sagte, Reinhard wir denken an Dich, vermissen Dich. Ich
erzählte ihm kurz wie "bescheiden" die Mucke "Geschichten vom Sachsendreier"
ohne ihn war.
Dann klingelte das Telefon, Elma war am anderen Ende, hatte Probleme zu
berichten, brauchte Antworten. Mit Hilfe seines Pflegers beantwortete Reinhard
alles Anstehende. Dieses Gespräch schaffte mir ungewollt durch ein wenig
Hintergrundwissen sehr tiefe Einblicke in Reinis derzeitiges Leben.
Ich sprach Reinhard dann noch einmal an, sagte ihm nochmals, wie wir ihn
vermissen, das wir oft an ihn denken. Ich strich ihm übers Haar und wir haben
uns verabschiedet.
Im Flur noch ein paar Worte mit seinem Pfleger über seinen Zustand, dann standen
wir wieder auf der Straße und ich rief ein Taxi, nun fuhren wir wirklich zum
Bahnhof.
Während ich zu Reini sprach stand Silvia im Hintergrund und hat ihn beobachtet.
Sie war fasziniert von seinen Augen. Dieser warme Blick, sie hat auch echte
Rührung über unseren Besuch darin gesehen. Lange konnte sie sich nicht
beruhigen, immer wieder sprach sie von diesem Blick! Später standen uns Beiden
dann irgendwie die Tränen in den Augen ....
Ein Besuch von 5 bis 10 Minuten, er hat einen bleibenden tiefen Eindruck bei uns
hinterlassen. Und ich hoffe, ja glaube, noch besser weiß es, auch Reinhard hat
daraus Kraft schöpfen können, er ist nicht vergessen ...
Wie geht es Reini nun wirklich nach all dem Hickhack in letzter Zeit? Bis vor 14
Tagen war er in der Charite, künstliche Beatmung. Er ist wieder zu Hause, wird
künstlich beatmet, man kann sich mit ihm unterhalten, gut er kann nicht
artikulieren, Kehlkopfstimme eben. Er war vorige Woche sogar unterwegs! Es
strengt ihn sichtlich an, aber er nimmt nach seinen Möglichkeiten am Leben teil.
Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus hat er sich spürbar stabilisiert, die
heimische Umgebung tut das Übrige! Der Kämpfer Fißler eben ....
Und ich glaube ich spreche in Reinhards Namen, wenn ich allen hier, die ihn wie
ich vermissen, ein Dankeschön sage! Wir, seine Freunde oder meinetwegen Fans,
helfen ihm sehr!
Ich muss doch noch einmal nachlegen, mein Bub hat das Ganze doch nicht
verkraftet! Er ist seit heute krank, versucht das Erlebnis bei Reinhard weg
zuschieben, kann es nicht verarbeiten. Silvia sagte mir, er ist am Bett von
Reinhard zusammengesackt, ich konnte das nicht sehen, er stand hinter mir, ich
sprach zu Reini. Also habe ich mich mit ihm hingesetzt und ihm versucht zu
erklären, dass er keinen Sterbenden gesehen hat, sondern einen Lebenden! Einen
Menschen, dessen Einstellung zum Leben viel "reiner" als die unserige ist, der
kämpft um jeden Tag, um jede Stunde, die ihm bleibt! Eigentlich für uns ein
Vorbild! (Ich muss dabei wahrscheinlich sagen, ich habe früher
Schwerstbehinderte beraten, ich kenne diese Faszination, die man empfindet, wenn
man deren Lebenseinstellung erkennen und begreifen, wohl eher erahnen, kann!)
Ich musste das hier noch einmal sagen, einfach, damit Ihr nicht falsch versteht,
was ich zu berichten hatte! Es ist geschehen, weil ich weiß, dass hier Leute
sind, die wie ich ernsthaft an Reinhards Zustand interessiert sind, weil sie ihn
achten und schätzen und lieben, und genug Zeugs im Umlauf ist. Ich habe extra in
diesem Bericht einige Eindrücke unterdrückt, nicht geschrieben. Ich bin nicht
die "Bildzeitung", ich mag nicht Aufsehen, ich liebe Reinhard, ich bin sein
Freund.
Es ist grausam dieses Schicksal, was Reini erlitten hat, erleiden muss, aber
noch ringt er nicht mit dem Tode, nein er ringt mit den Einschränkungen, die ihm
die Krankheit auferlegt, versucht trotzdem zu leben, sein Leben, das ihm noch
möglich ist!
Vielleicht habe auch ich Reini wehgetan mit meinem Bericht über den Auftritt von
Trepte, Lohse und Bruno im Neu Helgoland, vielleicht ging auch ihm im Kopf
herum, wenn ich dabei gewesen wäre ... Ich glaube aber zu wissen, er sieht das
anders, er würde auch vor 3 Leuten auftreten, wenn er es noch könnte!
Ich hoffe, Ihr versteht, was ich Euch hiermit sagen wollte?! Auch mir stehen
seit gestern oft Tränen in den Augen, auch ich muss das verarbeiten, nicht nur
im Kopf, auch im Herzen! Ich mache es auch hier, weil ich weiß, auch Ihr habt
wahrscheinlich mit Manchem Probleme! Aber sind unsere nicht klein?