Ein Erlebnis in Hoyerswerda vom Hans
Durch meinen Umzug nach Aschaffenburg war die Verbindung zur Musikszene des Ostens wieder einmal gerissen. Nur ein lieber Freund aus der Heimat, Klaus ich danke Dir sehr dafür, unterrichtete mich regelmäßig über Neuigkeiten und erzählte mir auch, Reinhard Fißler hat da irgend so eine Krankheit, erzählte mir von den Plänen, nach Amerika zu einer Therapie zu fliegen.
Und dann war es im Jahr 2003 soweit, am Freitag dem 24.01. um 11.30 Uhr klingelte mein Telefon im Büro. Klaus rief mich an und erzählte mir, ich fahre Morgen nach Hoyerswerda, da spielt Stern-Combo. Na ich war sauer, trotzdem habe ich ihm viel Spaß gewünscht.
Aber irgendwie war da ein Bazillus, ich konnte an nichts anderes mehr denken. Hoyerswerda, ich habe da einmal gelernt, meine ersten Schritte in der "Musikszene" hatten dort ihren Ursprung, Erinnerungen gingen durch den Kopf, und nach einer Stunde griff ich zum Telefon. Seidels Detlef ging nicht ran, da habe ich es auf seinem Handy probiert. Hier Seidel, Detlef stimmt der Termin Morgen in Hoyerswerda, ja, stimmt er wirklich 700 km ist eine Menge, wer bist Du, Wodka, wir sehen uns dann Morgen.
Es war entschieden! Hotel in Hoyerswerda gesucht, vorbestellt, aus dem Büro nach Hause gefahren, Vorbereitungen, zur Vorsicht den Schlafsack rausgesucht, die Decke, man kann ja nie wissen. Und dann der 25.01.! Es war wie immer und doch ganz anders! Nicht trampen, DB und 1. Klasse, in Hoywoy nicht laufen, nein Taxi, nicht Gedanken an Schlafplatz, nein Hotel, eines der ersten am Platz.
Aber dann, es war schon dunkel, Weg zur Konzertstätte, nun ganz wie früher, wo ist der Bühneneingang, ein Wachhund dort, aber Detlef in der Nähe. Mensch sind wir alt geworden, ein Gespräch, dann auf die Bühne, der Soundcheck lief, Erschrecken, die Leute sind ja noch älter geworden als Du selbst, und dann irgendwann kam Reinhard, sein Zustand, mir tränte das Herz! Und ich weinte, nein ich schäme mich nicht, ich stand irgendwo in dem riesigem Raum und heulte, heulte zum Steinerweichen. Nach Fassung ringen, und dann wieder auf die Bühne, zu Norbert. Auch er alt geworden, sich kaum noch an mich erinnernd. In die Garderobe, da saß ich nun, eigentlich wusste keiner mehr, wer ich bin! Aber dann, ich hatte ja Stern-Combo noch erlebt, als Vroni Frontfrau war, damals in der "LIGA" in Dresden, Ich wusste von Weida, niemand konnte sich so noch erinnern, und irgendwie hatte ich ja einmal "dazugehört"! -lächel- Erinnerungen kamen nun auf, auf beiden Seiten, es entstand etwas Ähnliches wie das Verhältnis, was da einmal war, damals in Mülsen Sc. Niklas, im Amorsaal, als Detlef mich fragte, hast du was ausgefressen, die Staasi hat nach dir gefragt. Es kam etwas auf wie damals 1974 in Ruhland als ich Bach in der Pause spielte und wir feierten, unsere Jubiläen.
Aber einer saß still am Tisch, schaute vor sich hin, blickte auch einmal in die Runde, und fragte irgendwann. "Habt Ihr keinen Rotwein für mich?" Nein, keiner hatte daran gedacht ein Fläschen Roten für Reinhard zu besorgen, irgendwie saß er da ganz allein, ein "Häufchen" Unglück. Da bin ich auf, egal ob ich wieder am "Wachhund" vorbeikomme, bin in die Stadt zu einem riechen ins Lokal und habe eine Flasche Roten der besseren Sorte geholt. Nachdem auch das Problem mit dem Korken gelöst war erlebte ich, wie Reini mit einem Strohhalm den Rotwein schlürfte, und sah, wie er mich dabei anblickte. Eine kleine Geste von mir, Dankbarkeit, ja irgendwie ein Aufleben bei ihm! Zum ersten Mal, noch unbewusst, war ich fasziniert von diesen Augen, von diesem Blick.
Und dann das Konzert, es war irgendwie anders als früher, ich sah mit anderen Augen hin. Es war nicht nur die Musik, die mich erfüllte, es waren auch andere Gedanken, Gedanken an damals, Gedanken an das Jetzt.
Und dann war Schluss! Ja wir saßen noch ein wenig zusammen, ich durfte Reinhard noch die Hand schütteln, versuchen ihm Mut zu machen, denn es ging ja nun bald zur Therapie in die Staaten. Ich ging ins Hotel und dann am nächsten Tag, über Nacht hatte es geschneit, alles war weiß, fuhr ich zurück, zurück nach Unterfranken, 700 km, mit der Bahn, in der 1. Klasse. Und es war anders, als es jemals gewesen ist.
Seit diesem Konzert nahm ich nun immer eine Flasche "Roten" mit, wenn ich Auftritte mit Reinhard besuchte. Und ich begann nach und nach zu überlegen, dass Reinhard zwar viele Freunde hat, oft aber der Mensch Fißler auf der Strecke bleibt.